Mittwoch, 18. Februar 2015

Das Risikogeschlecht.

aus nzz.ch, 18. 2. 2015

Risiko für Erbkrankheiten
Mutationen in den Keimzellen von Teenager-Vätern

(dpa) ⋅ Teenager-Väter geben laut einer Studie häufiger durch Mutationen belastetes Erbgut an ihre Kinder weiter als Zwanzig- bis Dreissigjährige. Dies könnte erklären, warum Kinder pubertierender Väter ein ähnlich hohes Risiko wie die Nachkommen von 35-jährigen Erzeugern für genetisch bedingte Krankheiten haben, etwa für Schizophrenie oder offenen Rücken (Spina bifida).

Dies glaubt zumindest der deutsch-britische Forscher Peter Forster. Er und seine Kollegen von den Universitäten in Münster, Salzburg und Cambridge in England haben 24 000 DNA-Proben von Eltern und deren Kindern aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika untersucht. Das Ergebnis veröffentlichen sie im Journal «Royal Society Proceedings».

Wie weitreichend die Ergebnisse sind, ist allerdings umstritten. Nach Ansicht des Humangenetikers Jörg Epplen von der Ruhr-Universität Bochum sind die Befunde noch kein Beweis für den Zusammenhang zwischen den Mutationen und einem Krankheitsrisiko. Die Studienautoren hätten «stumme» Genom-Teile unter die Lupe genommen, die nach bisherigem Wissen keine Bedeutung für Eigenschaften oder weitergegebene Krankheiten der Nachkommen hätten.


Bisher war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass ein jüngerer Erzeuger seltener Erbkrankheiten überträgt als ein älterer. Der Grund: Die Keimzellen eines Mannes reproduzieren sich zeit seines Lebens. In diesem fortwährenden Teilungsprozess kann es bei jeder Kopie zu neuen Genveränderungen kommen. So steigt die Mutationslast in den Keimzellen der Männer mit ihrem Alter. Wie Forster und seine Kollegen nun jedoch festgestellt haben, sind Spermien ganz junger Väter eine Ausnahme.

Kinder von Teenager-Vätern (12 bis 19 Jahre) wiesen demnach in ihrem Erbgut etwa 30 Prozent mehr sogenannte De-novo-Mutationen auf als Kinder von 20 bis 30 Jahre alten Vätern. Das sind Veränderungen der DNA, die in den Keimzellen – also in den Eizellen oder Spermien – entstehen und die sich somit erst nach der Befruchtung bei den Kindern manifestieren. «Wir halten es für möglich, dass der Apparat, der Spermazellen produziert, zu Beginn der Pubertät noch nicht ganz justiert ist und zunächst mit hoher Fehlerquote arbeitet», sagte Forster.

Noch ein Ergebnis überraschte das Team: Zu Beginn der Fortpflanzungsfähigkeit ist die Mutationslast in den Keimzellen von Jungen sechs Mal so hoch wie in denen der Mädchen. Dies könnte darauf hindeuten, dass eine männliche Keimzelle vor der Fruchtbarkeit wesentlich mehr Teilungsprozesse hinter sich hat, als die Genforschung bisher annahm. Forster: «Laut Lehrbuchmeinung sind es bei Mädchen und Jungen zwischen 22 und 23 Teilungen vor der Pubertät. Unsere Ergebnisse könnten aber bedeuten, dass sich männliche Samenzellen bei Eintritt in die Pubertät bereits über 100 Mal geteilt haben.«



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen