Samstag, 4. März 2017

Der Interimspascha.

aus derStandard.at, 4. März 2017, 09:00

Warum Löwenmännchen Konkurrenz brauchen
In Löwenrudeln wechseln regelmäßig die Alphatiere. Zoologen haben nun eruiert, warum in Namibia diese Wechsel seltener sind und dadurch die genetische Vielfalt leidet

von Kai Althoetmar

Durban/Wien – Aus Tierdokumentationen kennt man die Szenen: Ein männlicher Löwe erobert ein Rudel, vertreibt das bisherige Alphamännchen und tötet den noch jungen Nachwuchs, den sein Vorgänger mit den Löwinnen des Rudels gezeugt hatte. Möglichst schnell will der neue Rudelführer seine Gene weitergeben, was nur geht, wenn die Weibchen wieder empfängnisbereit sind.

Der Sinn der "Grausamkeit"

Was Tierfreunde als Grausamkeit empfinden mögen, erfüllt biologisch einen Sinn. Der Chefwechsel im Löwenrudel verhindert Inzucht und damit eine genetische Verarmung der Population. Denn sobald ein Rudelführer seine Gruppe drei, vier Jahre am Stück unter Kontrolle hat, beginnt er sich auch mit den eigenen Töchtern zu paaren.

Es gehört also zum Lauf der Natur, dass der Alphalöwe im Schnitt nach zwei bis drei Jahren wieder gestürzt wird. Nicht immer geht das mit Infantizid, der Tötung der Jüngsten, einher. Oft gelingt es den Löwinnen, das Leben ihres Nachwuchses zu verteidigen, oder sie ziehen mit ihren Jüngsten ab.

Langfristige Gefährdung

Konflikte zwischen Mensch und Raubkatze können diese Abläufe allerdings stören, wie Forscher aus Österreich und Südafrika ermittelt haben: Durch Abschüsse von Viehzüchtern droht den Beständen genetische Verarmung, und sie gefährden langfristig die Raubkatzenpopulationen.

Für seine Studie im "Journal of Zoology" markierte das Team um die österreichische Zoologin Martina Trinkel von der südafrikanischen Uni in KwaZulu-Natal und Paul Fleischmann von der HTL Hallein in Namibias Etosha-Nationalpark 181 Löwen vor 17 Jahren mit Brandzeichen; ein bis zwei Weibchen je Rudel wurden mit Radiohalsbändern ausgestattet. Das Alter der Tiere ermittelten die Forscher anhand der Zähne.

Der Etosha-Nationalpark ist seit 1973 umzäunt. Allerdings büxen Löwen regelmäßig durch Löcher aus, die Warzenschweine und Stachelschweine unter dem Zaun graben. Vor allem halbwüchsige Löwenmännchen und erwachsene Löwinnen machten sich davon. Die Tiere ziehen dann meist wie Nomaden umher, häufig auf ungünstigem Terrain, ehe sie später andere Rudel zu übernehmen versuchen.

Hohe Löwenverluste

An den Osten und Süden des Etosha-Parks grenzt kommerzielles Farmland. Viehzüchter halten dort extensiv Rinder. Dem mit Rindern reich gedeckten Tisch außerhalb des Parks können die ausgerissenen Löwen nicht widerstehen. Farmer reagierten auf Viehrisse durch die vagabundierenden Löwen sehr oft mit Abschuss. 59 Prozent der halbwüchsigen Löwenmännchen und 27 Prozent der erwachsenen Löwenweibchen, die den Park verließen, wurden in den 17 Jahren auf dem Farmland entlang der Parkgrenzen erschossen oder gezielt vergiftet. Die getöteten Männchen fielen damit aus, um künftig im Park Rudel zu übernehmen.

Die Zoologen konnten die abgeschossenen Löwen anhand ihrer Brandzeichen identifizieren. Tiere, die nicht von Farmern getötet wurden, kamen durch Kämpfe untereinander, Verletzungen bei der Jagd oder altersbedingt um. 62 von 82 Todesfällen, deren Ursache festgestellt wurde, gingen auf Menschen zurück. In vier Fällen wurden sogar ganze Rudel auf Farmland ausgelöscht. Das geschah zum Beispiel, nachdem im Park ein Wasserloch ausgetrocknet war und das gesamte Rudel den Park verlassen hatte.

Hohes Inzuchtrisiko

Das hatte Folgen für die Löwen im Park: Vermutlich wegen des Mangels an Konkurrenz durch heranwachsende Männchen hielten erwachsene Löwen ihre Rudel fast sieben Jahre lang in Besitz, schreiben Trinkel und Kollegen. Das sei dreimal so lang wie sonst üblich und erhöhe das Inzuchtrisiko. Löwen, die ein Rudel eroberten, waren zu dem Zeitpunkt im Schnitt 5,2 Jahre alt, die gestürzten Rudelchefs waren durchschnittlich schon elf Jahre alt und hatten im Mittel 6,7 Jahre lang die Kontrolle über ihre Gruppe – eine unnatürlich lange Dauer.

Volltext der Studie Journal of Zoology:
Journal of Zoology: "Electrifying the fence or living with consequences? Problem animal control threatens the long-term viability of a free-ranging lion population"


Nota. - Seine ganze Jugend lang hat er gekämpft wie ein Löwe, und als er es endlich bis an die Spitze geschafft hatte, ging der Stress erst richtig los: All seine Damen wollten bedient sein, und alle Nasen lang musste ein Rivale in die Flucht geschlalgen werden. Bis nach zwei, drei Jahren einer stärker war als er, zu dem sind die Damen übergelaufen, und ihn haben sie in die Wüste gejagt, wo er ganz alleine schließlich verhundern musste. 

Die Leidenschaft hat ihn soweit gebracht; beneidenswert, wer frei davon.
JE


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