Montag, 27. Juni 2016

Oxytocin stimmt Männer kritisch.

aus scinexx

Oxytocin: Das Geschlecht macht den Unterschied
Kuschelhormon stimmt Männer kritischer und Frauen positiver
Der Botenstoff Oxytocin kann auf Männer und Frauen sehr unterschiedlich wirken – vor allem wenn es um den ersten Eindruck von neuen Bekanntschaften geht. Wie ein Experiment nun zeigt, lässt das Hormon das weibliche Geschlecht in solchen Situationen verstärkt auf positive Signale eingehen. Die Herren der Schöpfung sind unter Oxytocin-Einfluss hingegen negativer gestimmt – und fühlen sich eher mit Menschen verbunden, die sich kritisch über andere äußern.

Oxytocin gilt als Kuschelhormon mit breitem Wirkspektrum: Der Botenstoff stärkt unter anderem die Paarbeziehung, wirkt als rosa Brille und fördert die emotionale Bindung von Mutter und Kind. Darüber hinaus mischt das Hormon auch beim Orgasmus mit und hilft sogar bei der Bewältigung von Ängsten.

Oxytocin
 erhöht allgemein die Sensitivität für soziale Reize", sagen Wissenschaftler um Shan Gao von der University of Electronic Science and Technology of China in Chengdu. Deshalb spiele der Botenstoff auch eine große Rolle für den ersten Eindruck, den neue Bekanntschaften hinterlassen. Doch dabei wirkt das Hormon bei Männern und Frauen offensichtlich nicht auf die gleiche Weise, wie das Team nun herausgefunden hat.


Der erste Eindruck im Test

Für ihre Studie testeten die Forscher, wie sich der Einfluss von Oxytocin bei beiden Geschlechtern auf die Bewertung fremder Personen und deren Meinungsäußerungen auswirkt. Dafür zeigten sie 80 Studienteilnehmern Fotos von verschiedenen Personen – gemeinsam mit Zitaten, in denen sich diese entweder sehr positiv oder sehr kritisierend und negativ über andere Mitmenschen äußerten. Die Probanden sollten nun angeben, ob ihnen die jeweilige Meinungsäußerung der auf den Fotos gezeigten Personen sympathisch oder unsympathisch war.

Vor Beginn des Versuchs war den Männern und Frauen über ein Nasenspray entweder Oxytocin verabreicht worden oder ein Placebo. Im Magnetresonanztomographen beobachteten die Wissenschaftler, dass das Kuschelhormon bei beiden Geschlechtern die Gehirnaktivität in der Amygdala veränderte: Die für die emotionale Bewertung von Informationen zuständige Struktur war unter dem Einfluss des Botenstoffs deutlich aktiver.

Oxytocin - ein komplexes Hormon mit vielfältiger Wirkung Oxytocin - ein komplexes Hormon mit vielfältiger Wirkung

Frauen mögen’s positiv – und Männer negativ

Allerdings schien sich das Oxytocin bei Männern erstaunlicherweise ganz anders auszuwirken als bei Frauen: Weibliche Probanden reagierten nach einer Dosis des Hormons stärker auf positive Botschaften und empfanden deutlich mehr Sympathie für Personen, die mit lobenden Aussagen verbunden waren.

Bei den Männern steigerte Oxytocin hingegen die Zustimmung zu Fotos, die mit sehr kritischen Meinungsäußerungen in Zusammenhang standen. "Das ist ein überraschender Befund, denn Oxytocin wirkt ansonsten bei Frauen und Männern in vielen Situationen sehr ähnlich", so das Team.

Oxytocin verstärkt Konkurrenzangst

Doch wie erklären sich die Forscher diesen frappierenden Unterschied? Ihnen zufolge kommen bei diesen Ergebnissen zwei unterschiedliche, geschlechtsspezifische Modelle zum Tragen, die in der Wissenschaft schon länger diskutiert werden. Demnach fühlen sich Frauen in sozialen Gruppen eher wohl und betonen stärker die positiven Aspekte.

Männer hingegen fürchten viel mehr die Konkurrenz durch ihre Artgenossen und scheinen deshalb emotional negativer eingestellt zu sein. "Diese Tendenz scheint das Oxytocin zu verstärken", fassen die Wissenschaftler zusammen. "Frauen fühlen sich unter dem Einfluss des Hormons nicht so schnell bedroht wie Männer." (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2016; doi: 10.1073/pnas.1602620113)

(Universität Bonn, 22.06.2016 - DAL)






















aus Die Presse, Wien, 23.06.2016

Oxytocin: Hormon des Vertrauens? Für Männer nicht!
Oxytocin, der Botenstoff, der lang als sozialer Klebstoff par excellence galt, zeigt ein zunehmend differenzierteres Gesicht: Es wirkt geschlechtsspezifisch. Ob auch kulturspezifisch, ist noch nicht erkundet.

von Jürgen Langenbach

Kein Biomolekül hat in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung eine Karriere gemacht wie das, bei dem man 1906 bemerkt hat, dass es beim Gebären hilft. Man nannte es danach, Oxytocin (leicht gebärend), und man merkte bald, dass es auch nach der Geburt hilft, es lässt die Milch fließen.

Das tut es auch bei anderen, die mit Milch füttern, Oxytocin wird von manchen Bauern eingesetzt – in die Euter gespritzt –, wenn Kühe beim Melken nichts geben, damit wird mancherorts solcher Missbrauch getrieben, dass das indische Gesundheitsministerium eben die Polizei auf den ausufernden Schwarzmarkt angesetzt hat, wegen „schädlicher Folgen für Menschen und Tiere“.

Aber was soll es für Schaden bringen, wenn Menschen mehr davon im Leib haben, ist Oxytocin nicht auch der soziale Klebstoff par excellence? 

Es ist nicht nur ein Hormon – bei Geburt und Milchfluss –, es ist auch ein Neurotransmitter: Mit ihm fließt das Vertrauen zwischen Mutter und Kind, das ist unstrittig. Bei allem anderen ist etwas Misstrauen angebracht gegen das, was auch „Hormon des Vertrauens“ genannt wird.

Wie viel Wühlmaus ist der Mensch?

Diesen Ruf hat Oxytocin von zwei Arten von Wühlmäusen in den USA, die einen leben monogam und treu, bei den anderen streifen die Männchen herum. Die haben weniger Oxytocin bzw. Rezeptoren dafür im Gehirn. Irgendein findiger Forscher kam auf die Idee, die Rolle als Neurotransmitter auch bei Menschen zu testen, mit Oxytocin, das als Nasenspray verabreicht wurde. Das brachte einen Tsunami von Erfolgsmeldungen: Oxytocin schuf Vertrauen zwischen Wildfremden, es stärkte die Empathie und den Altruismus.

Viele Studien konnten allerdings nicht repliziert werden, und davon war wenig zu lesen. Zum Thema machten das belgische Forscher, denen es an der eigenen Arbeit auffiel, sie vermuteten einen „publication bias“: Veröffentlicht werde nur das Positive (Journal of Neuroendocrinology 2. 6.). Immerhin, manches kam auch über die dunkleren Seiten des Oxytocin heraus: Es stärkt zwar Vertrauen und Zusammenhalt, aber nur den innerhalb der Gruppe, nach außen macht es betrügerisch und aggressiv.

Und es wirkt je nach Geschlecht ganz anders, das hat sich im Labor von Keith Kendrick (Chengdu) gezeigt: Da ließ man Probanden Fotos von Menschen betrachten, die zugleich durch Äußerungen über andere – lobende, abwertende, neutrale – charakterisiert wurden. Dann kam der Nasenspray: Die weiblichen Testpersonen wandten ihre Aufmerksamkeit (und Empathie) denen zu, die andere gelobt hatten, die Männer konzentrierten sich (und ihre Abneigung) auf die mit abwertenden Äußerungen (Pnas 20. 6.).

Die Forscher deuten das so, dass Frauen die Familie im Inneren hegen und Männer ihre Augen auf Bedrohungen von außen halten. Aber, wer weiß? Die Probanden waren Chinesen: Vielleicht spielen auch Abstammung und Kultur mit beim Wunderhormon.


Nota. -

So: "Demnach fühlen sich Frauen in sozialen Gruppen eher wohl und betonen stärker die positiven Aspekte"

oder so: "Es stärkt zwar Vertrauen und Zusammenhalt, aber nur den innerhalb der Gruppe, nach außen macht es betrügerisch und aggressiv"?
JE



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